Community Nursing in Österreich

Nicht nur Krankenpflegerin, sondern vor allem Gesundheitspflegerin sein

Mittlerweile haben viele Menschen in Österreich den Begriff Community Nurse oder Community Nursing gehört. Doch was verbirgt sich hinter diesem doch eher sperrigen englischen Begriff, und was kann sich die Bevölkerung von diesem Berufsfeld erwarten? Dieser Artikel soll einen Überblick über die Community- Nursing-Pilotprojekte in Österreich geben.

Hintergrund

Pflege als Beruf und Pflege als Dienstleistung sind in den letzten Jahren in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gedrungen – allerdings meistens vor dem Hintergrund, dass dabei über Mangel berichtet wird. Dieser Mangel hat damit zu tun, dass einerseits die Gruppe, die Pflege braucht, wächst, und andererseits damit, dass beruflich Pflegende das Pensionsalter erreichen und den Beruf verlassen. Der Bedarf an Pflege nimmt auch deshalb zu, weil in Österreich die Zahl der gesunden Lebensjahre abnimmt. So reduzierten sich zwischen 2010 und 2016 Lebensjahre, die in Gesundheit verbracht werden, bei Männern von 59,4 Jahren auf 57,0 Jahre und bei Frauen von 60,8 Jahren auf 57,1 Jahre (Bundesministerium für Arbeit 2019). Community Nursing ist nun ein Angebot, gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen zu setzen und so den Verbleib von (älteren) Menschen im eigenen Zuhause zu fördern. Dies soll über verschiedene Wege und Maßnahmen – nicht zuletzt durch Stärkung der Selbsthilfe aufseiten Betroffener und deren Angehöriger – gelingen. Die Etablierung von Community-Nursing-Pilotprojekten soll also dazu beitragen, die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung – insbesondere von Risikogruppen und älteren bzw. chronisch erkrankten Personen – zu verbessern. Unter anderem geht es darum, pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen unter die Arme zu greifen sowie pflegerische und gesundheitsbezogene Angebote in den Kommunen zu schaffen, sichtbarer und somit nutzbarer zu machen.

Ein paar technische Informationen zum Projekt 

Aus Mitteln der Europäischen Union werden entsprechend dem Österreichischen Aufbau‐ und Resilienzplan Pilotprojekte zu Community Nursing finanziert. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) verantwortet und leitet die Pilotprojekte auf nationaler Ebene. Eine Koordinierungsgruppe soll bei projektbezogenen Entscheidungen eine Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie Fachexpertinnen und Fachexperten gewährleisten und setzt sich dementsprechend aus Vertreterinnen und Vertretern des Gemeindebundes, des Städtebundes, der neun Bundesländer, des BMSGPK und der GÖG zusammen. Die Gesundheit Österreich GmbH begleitet die Umsetzung und insbesondere den Prozess der Implementierung der Pilotprojekte. 

Das Gesamtprojekt auf einen Blick

  • Laufzeit: 2022–2024
  • 145 Anträge zu Pilotprojekten wurden eingereicht.
  • Anträge wurden aus allen Bundesländern eingereicht.
  • Die Anträge wurden mittels Prüfverfahren bewertet.
  • 123 Projekte haben eine positive Rückmeldung erhalten.
  • Mit 1. 1. 2023 befinden sich 113 Projekte in Umsetzung.
  • Diese 113 Projekte umfassen 171 Vollzeitäquivalente und mehr als 257 Personen (Köpfe). 
  • 86 E-Autos und 37 E-Bikes werden gefördert und helfen dabei, die umweltfreundliche Mobilität der Community Nurses umzusetzen. 
  • Ziel war es, mindestens 150 Community Nurses zu etablieren. 

 

Ausbreitung der Community-Nursing-Pilotprojekte am 1. Jänner 2023, grün gekennzeichnet auf der Österreichkarte 

Quelle und Darstellung: GÖG 

Eine Erläuterung zum englischen Begriff Community Nursing/Nurse 

Zunächst ein paar klärende Worte zum Begriff Community Nurse oder Community Nursing. Community Nursing ist eine Berufsrolle von Pflegepersonen, die es weltweit gibt, allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen und Formen. Der Begriff kann sowohl mit „Community Health Nursing“ gleichgesetzt werden als auch mit der mobilen Gesundheits- und Krankenpflege beziehungsweise Hauskrankenpflege in Österreich. International ist Community Nursing als sogenannte sozialraumorientierte Dienstleistung zu verstehen, die entweder zu Hause und/oder wohnortnah angeboten wird. 

Der Begriff Community Health Nursing stellt darüber hinaus ein Spezialgebiet des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege dar, dass durch ein umfangreiches, kompetenzerweitertes Aufgabengebiet gekennzeichnet ist. Diese Pflegepersonen nehmen sich gewisser Communitys (Gemeinschaften/Gemeinden/Zusammenschlüsse) an, in diesem Fall arbeiten sie mit speziellen Zielgruppen bzw. für diese wie beispielsweise Familien (Familiengesundheitspflege / „family health nursing“) oder Schulangehörige (Schulgesundheitspflege / „school nursing“), sie können aber auch auf andere Kollektive fokussiert sein (z. B. Menschen mit Diabetes – ANP Diabetes). Dann gibt es noch Community Nursing mit Blick auf Systemorientierung und mit einem Fokus auf öffentliche Gesundheit („public health nursing“ – manchmal auch synonym verwendet mit „community health nursing“) (Aspen University 2020) (Wild/Anselm 2020). 

Aufgaben, welche die Community Nurses in Österreich wahrnehmen

Aber wer sind nun Community Nurses in Österreich, und was ist ihre Aufgabe? Die Überschrift weist schon darauf hin: Nicht nur Krankenpflegerin, sondern vor allem Gesundheitspflegerin sein“, wie eine Community Nurse ihr Berufsfeld in einem Interview definierte. Und genau das sollen sie sein. Community Nurses sind in diesem Projekt diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen (DGKP) mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung. Sie können entweder freiberuflich mit der Gemeinde zusammenarbeiten oder bei der Gemeinde angestellt sein. Speziell in Oberösterreich sind CN-Projekte oft über Sozialhilfeverbände (SHV) organisiert, und die DGKP ist bei diesen angestellt, oder der SHV kooperiert mit Anbietern wie dem Hilfswerk, dem Diakoniewerk oder Primärversorgungseinrichtungen. Das Zielgebiet einer CN umfasst maximal 5.000 Personen.

Die Zielgruppen sind insbesondere Personen, die noch keine mobilen Dienste oder andere Angebote von Pflegeeinrichtungen in Anspruch nehmen. Im Pilotprojekt sind das vor allem folgende Personengruppen:

  • ältere und hochbetagte Menschen in ihrem direkten Wohnumfeld mit bevorstehendem oder vorhandenem Informations-, Beratungs-, Pflege- und/oder Unterstützungsbedarf in pflegebezogenen und gesundheitlichen Belangen
  • pflegende oder betreuende An- und Zugehörige im familiären Rahmen

Die Pilotprojekte können auch Schwerpunkte setzen, z. B. in Richtung Menschen mit Migrationshintergrund, Young Carers oder Menschen mit psychischen Problemen.

Die Angebote von Community Nurses sind wohnortnah und niederschwellig. Sie unterstützen und entlasten pflege- und betreuungsbedürftige Personen sowie deren Angehörige. Niederschwellig bedeutet, dass die Leistungen in der Gemeinde, dem Grätzel, der Wohngegend angeboten werden und von Betroffenen schnell und einfach in Anspruch genommen werden können.

Community Nurses

  • sind die zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Pflege und Gesundheit,
  • führen präventive Hausbesuche durch,
  • informieren und beraten,
  • erheben die aktuelle Versorgung,
  • stellen fest, welche Unterstützung benötigt wird,
  • koordinieren und vermitteln zusätzliche Angebote.

Damit sie dies tun können, nehmen sie Kontakt mit der Bevölkerung auf, besuchen Menschen auf deren Wunsch hin zu Hause und erarbeiten gemeinsam mit den Betroffenen im Rahmen der präventiven Hausbesuche einen Plan. Dieser Plan fokussiert darauf, Menschen dabei zu unterstützen, möglichst selbstständig zu bleiben und Pflegebedürftigkeit hintanzustellen. Dabei richtet sich der Blick auf

Angebote für mehr Gesundheit und Wohlbefinden, diese orientieren sich an den Bedarfen der Betroffen und reichen von klassischen Bewegungsangeboten bis hin zu Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeit. Weiters gehört die Netzwerkarbeit zu wesentlichen Aufgaben – viele Angebote bestehen bereits, aber Menschen erkennen nicht immer, dass diese für sie passend sind, sie wissen über die Angebote nicht Bescheid oder können sich nicht motivieren den ersten Schritt zu setzen. Community Nurses sind in das lokale Netzwerk gut eingebunden, sie kennen ihre beruflichen Partner und Partnerinnen und unterstützen und begleiten Menschen, die für sie passenden Angebote zu finden. Erhebt die Community Nurse den Bedarf der Gemeinde systematisch, kann sie gemeinsam mit den Gemeindevertreterinnen und -vertretern oder anderen Einrichtungen in der Gemeinde Maßnahmen setzen, die dazu führen, dass die Gemeinde gesünder und sicherer und der soziale Zusammenhalt einer Gemeinde stärker wird.

Ausblick

Mit der Implementierung der Pilotprojekte wurde eine Maßnahme aus dem Regierungsprogramm der türkis-grünen Regierung umgesetzt, die dazu beitragen soll, dass ein wohnortnahes und niederschwelliges Angebot mit dem Ziel, die Selbstpflegekompetenz zu stärken und langfristig Pflegebedürftigkeit hintanzustellen, etabliert wird. Die Projekte starteten im Frühling 2022 und werden bis Ende 2024 umgesetzt, begleitet und evaluiert. Ende 2024 / Anfang 2025 wird der Evaluierungsbericht vorliegen, dann wird sich zeigen, welche Effekte die Pilotprojekte nach sich ziehen. Weitere Informationen zu den Projekten finden Sie unter www.cn-oesterreich.at. 

Quellenverzeichnis

Aspen University (2020): UPDATED: Public Health Nurse vs. Community Health Nurse [online] [Zugriff am 6. 7. 2021]

Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (Hg.) (2019): Aktiv und gesund altern in Österreich, durchgeführt von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz. Autorinnen und Autor: Antony, Gabriele; Fried, Andrea; Habimana, Katharina; Ostermann, Herwig unter Mitarbeit von Delcour, Jennifer; Engel, Bettina; Griebler, Robert. Online abrufbar unter: https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:3d309dc8-ca07-464c-89c6- 9ab81e675476/aktiv_und_gesund_altern_in_oesterreich_final.pdf, Wien

Wild, Monika; Anselm, Elisabeth (2020): Community (Health) Nursing. Unveröffentlicht 

Über den/die Autor/In

Mag. Mag. Dr. Elisabeth Rappold ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und hat an der Universität Wien Soziologie und Pflegewissenschaft studiert. Sie leitet die Abteilung Langzeitpflege, koordiniert alle pflegerelevanten Themen an der GÖG und arbeitet schwerpunktmäßig in den Bereichen Pflegereform, Personalbedarf (Health Workforce Planning inkl. Personalprognosen). Sie wirkt an Strategieprozessen und deren Umsetzung mit (Pflegereform, Demenzstrategie, Diabetesstrategie) sowie Berufsbildentwicklung, Evaluierung und Entwicklung von Praxiswerkzeugen für Gesundheitsberufe (z. B. Arbeitshilfe Pflegedokumentation), insbesondere für Pflegeberufe sowie und hält zahlreiche Vorträge und Lehrveranstaltungen in diesen Themenbereichen.