Alles andere als planlos!

Gesundheitsplan 2040+

Wie sich oft schon herausgestellt hat, haben alte Redewendungen durchaus einen wahren Kern.

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Seit langem mahnen Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitsbereich am laufenden Band, dass tiefgreifende Reformen notwendig sind, um unsere Gesundheitsversorgung in Zukunft sicherstellen zu können. Großer Treiber ist die demographische Entwicklung: die geburtenstarken Jahrgänge kommen langsam aber sicher in ein Alter, in dem zunehmend Dienstleistungen des Gesundheitswesens in Anspruch genommen werden müssen. Gleichzeitig verknappt sich der Arbeitsmarkt: weniger junge Menschen sind am Arbeitsmarkt verfügbar – der Fachkräftemangel ist in allen Branchen bemerkbar, eine Entspannung ist nicht in Sicht. Noch dazu altert unsere Bevölkerung geographisch nicht gleichmäßig verteilt: die (weniger werdenden) Jungen zieht es zunehmend in die Städte.[1] Keine Frage: die jetzt bestehenden Strukturen, die ihren Ursprung im vergangen Jahrhundert haben, werden dieser Herausforderung nicht gewachsen sein.

In Niederösterreich sorgt seit kurzem der Gesundheitsplan 2040+ für Aufregung. Die Medien sind voll mit Berichten über Proteste.[2]  Verständlich: wer die eigene Gesundheitsversorgung gefährdet sieht, steigt auf die Barrikaden. Für sich und erst recht für jene, die einem anvertraut sind.

Daneben gibt es auch Interessen, die mit Gesundheitsversorgung im engeren Sinn nichts zu tun haben: Es sind Interessen der lokalen Wirtschaft, der lokalen Politik und auch des Personals, dessen Arbeitsumfeld sich ändern wird.

Dabei geht es durchaus um legitime Interessen, die angemessenen berücksichtigt werden sollten.

Nicht legitim ist hingegen, diese Interessen nicht zu klar anzusprechen, sondern Patientinnen und Patienten für die eigene Sache vorzuschieben. Wer sich für werdende Mütter und ihre Kinder aufbäumt und gleichzeitig verschweigt, dass Babys in kleinen Geburtenstationen häufiger sterben, als in großen, betreibt ein gefährliches Spiel zum potentiellen Nachteil jener, die er zu schützen vorgibt.[3]

Zurück zum Gesundheitsplan 2040+.

Die wichtigste Feststellung zuerst: nichts zu tun, ist angesichts der oben dargestellten Entwicklungen jedenfalls falsch und führt absehbar zum Kollaps des öffentlichen solidarischen Gesundheitssystems.

Und so muss man es begrüßen, dass dieser auf Expertenempfehlungen basierende Plan für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in NÖ nun auf Schiene ist. Einmalig ist, dass die unterschiedlichen Player im Gesundheitswesen (Landesgesundheitsagentur, Österreichische Gesundheitskasse, Ärztekammer NÖ, Rettungsdienste, …) diesen Plan gemeinsam tragen. Auch die Politik stimmt dem Plan über Parteigrenzen hinweg mit überwiegender Mehrheit zu.[4] Ziel ist, die Gesundheitsversorgung der NÖ Bevölkerung für die nächsten 15 Jahre und darüber hinaus fit zu machen. Dazu gehört es, Abteilungen zu bündeln um ihre Leistungsfähigkeit dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens entsprechend vor allem personell erhalten zu können. Dass auch Stationen für Akutgeriatrie an mehreren Standorten geplant sind, zeigt, dass die aktuellen und stärker werdenden Bedarfe einer alternden Gesellschaft erkannt wurden. Dass sich nicht alle bisherigen Abteilungen bzw. Krankenhausstandorte im Gesundheitsplan wiederfinden, ist den genannten Umständen geschuldet. Wohl spielen auch finanzielle Rahmenbedingungen eine (berechtigte) Rolle. Es ist aber falsch, von einem „Sparpaket“ zu sprechen, wie sich allein schon an den geplanten Neubauten der Standorte Weinviertel Süd und Wiener Neustadt zeigt.

Das Versprechen des Gesundheitsplanes ist klar: in einem abgestuften Versorgungssystem soll jede Patientin und soll jeder Patient die Behandlung erhalten, die nötig ist. Dazu gehört auch, dass eine Primärversorgung flächendeckend gewährleistet ist, ebenso wie die Notfallversorgung rund um die Uhr.

Ob alle Versprechungen des Gesundheitsplanes halten werden, wird sich zeigen. Einzufordern ist dies allemal. Vor allem jenes Versprechen, dass bestehende Strukturen erst eine Veränderung erfahren, wenn neue Strukturen aufgebaut wurden, die die Versorgung weiterhin sicherstellen.  Als Beispiel seien hier die Notarztstützpunkte genannt. Zwar haben die Rettungsdienste in NÖ in den letzten Jahren eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht, vom Ziel einer flächendeckenden 24/7 Versorgung mit speziellen Notfallrettungswägen, welche eine Reduktion der bestehenden Notarztstützpunkte erst denkbar machen, ist man aber noch ein gutes Stück weit entfernt.

Geändert hat sich mit dem Gesundheitsplan 2040+ aber jedenfalls ein wichtiger Aspekt: Es gibt nun einen Plan mit Ziel und Wegskizze für die Sicherstellung der zukünftigen Gesundheitsversorgung in NÖ. Die Symbolwirkung darf nicht unterschätzt werden: zu recht waren die Rufe aus dem Gesundheitswesen „so kann es nicht mehr lange weitergehen“ zu hören – das Bild, man fahre mit Vollgas auf eine Wand zu, manifestierte sich zusehends. Diesem Gefühl der strategischen Plan- und Tatenlosigkeit tritt der Gesundheitsplan 2040+ entgegen.

Aber machen Sie sich selbst ein Bild! Die Empfehlungen der Expertinnen und Experten sind in transparenter Weise der Öffentlichkeit online zur Verfügung gestellt –  auch das ist neu.[5], [6]

[1] Anteil der Bevölkerung > 60 Jahre an Beispielen: Stadtgemeinde Zwettl: 34%, Stadtgemeinde Mödling: 29%, Stadt St. Pölten: 27% (Quelle: Gemeindestatistikdaten 2024 www.noe.gv.at).

[2] Beispiele: „Wird Herzstück herausgerissen: Knapp 3.000 Menschen bei Spitalsdemo“ NÖN 04.04.2025; „Gmünd und Hollabrunn: Proteste gegen Schließungen“ ORF NÖ online 05.04.2025;  „Kritik an Spitalsreform: Ärzte in NÖ blasen zur Aktion Herzalarm“ KURIER 22.04.2025.

[3] Fachempfehlung Modelle zu Versorgungsstrukturen in der klinischen Geburtshilfe in Deutschland, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V., März 2023. Verweis auf Heller G, Richardson DK, Schnell R et al. Are we regionalized enough? Earlyneonatal deaths in low-risk births by the size of delivery units in Hesse, Germany 1990-1999. Int J Epidemiol 2002; 31: 1061-1068.

[4] Niederösterreichische Landeskorrespondenz, Landtag aktuell, 27. März 2025.

[5] www.gesundheitsplan-noe.at

[6] https://land-noe.at/noe/Gesundheitsplan_NO-_Empfehlungen_Expertengremium.pdf